Gibt es an einem Feiertagswochenende eine Region in Südtirol, in der man vor prächtiger Gebirgskulisse ohne Trubel wandern kann? Diese Frage schießt mir durch den Kopf als ich in die Planung des Fronleichnamwochenendes einsteige und auf das Bergrefugium Langtaufererhof im Vinschgau stoße. Versteckt in einem Seitental am Reschensee, liegt es auf 1.870 Metern Höhe inmitten der Ötztaler Alpen und verspricht beste Wanderrouten und absolute Ruhe.
Schon bei meiner Ankunft, bin ich überrascht, wie wenige Autos mir auf der schmalen Straße bis nach Melag entgegenkommen, wo es am Ende nur noch eine Kirche und den Langtaufererhof zu geben scheint.
Wir befinden uns mitten in der Natur, überall blühen die Alpenrosen, während sich Lärchen die Hänge hinaufziehen, bevor sie von den weißen Kuppeln der Dreitausender abgelöst werden. Dominiert wird die Landschaft von der 3.739 m hohen Weißkugel, deren Gipfel vollständig von Gletschern umgeben und bei Alpinisten sehr beliebt ist.
Doch auch für Wanderer, tun sich ungeahnte Möglichkeiten auf, die für mich zu den schönsten Touren in den Alpen zählen.
Zunächst beziehe ich jedoch im Bergrefugium Langtaufererhof mein Basislager für die nächsten Tage, wo ich das Auto einfach abstelle und stehenlasse, während ich von Hotelchef Sepp Thöni und seinem Team verwöhnt werde. Die Zimmer und Suiten sind z. T. frisch renoviert und überzeugen mit alpinem Schick und wunderschönen Badezimmern.
Es wird viel mit Holz und Stein gearbeitet und passend zum Gipfelambiente, werden die Regale und Lampen an Kletterseilen aufgehängt. Unvergleichlich ist zudem der Ausblick von meiner Weisskugelsuite in Richtung Bergwelt, und so genieße ich jeden Vor- und Nachmittag das Panorama in der Hängeschaukel oder im bequemen Liegestuhl.
Viel besser kann man es als Wanderer in Südtirol kaum antreffen, denn alle Wanderwege starten direkt vor der Haustür, wie mein erster Ausflug zur Masebner Alm.
In weiten Kehren schiebt sich der Forstweg rund 60 Minuten den Hang hinauf, bevor ich von Akkordeonmusik begrüßt werde. „Wie schön, die Familie praktiziert noch Hausmusik“, denke ich mir, als neben einer hoch konzentrierten Dame, auch ein junger Mann mit Ziehharmonika in mein Visier kommt.
Und auf dem Hang schräg gegenüber sitzt schon wieder einer und haut wild in die Tasten und drüben beim Hot Tub sitzen sogar zwei und kneten ihr Akkordeon als gäbe es kein Morgen. Wie auf der Kirmes fließen die Lieder ineinander, übereinander und völlig durcheinander und aus dem freudigen Privatkonzert wird spätestens jetzt ein erbittertes Duell. „Warum die Hausherrin als einzige in der Familie denn kein Instrument spiele“, scherze ich mit der Chefin, die mir eine Saftschorle an den Tisch bringt und lacht. „Wir haben ein Akkordeonseminar hier auf der Alm und die Gruppe probt bereits seit gestern Abend ohne Unterbrechung“, ergänzt sie augenzwinkernd. Ich höre noch ein wenig zu und mache mich dann auf zum Panoramaweg mit der Nummer 17, der mich mit Ausblicken zum Bärenbartkobel und dem gegenüberliegenden Gepatschferner reichlich verwöhnt.
Die Landschaft glänzt dabei im satten Grün und überall blühen Alpenblumen, was die Wanderung zu einem echten Highlight macht. Insgesamt verteilen sich die rund 650 Höhenmeter auf 12 Kilometern Wegstrecke, was die Tour zu einer schönen Halbtageswanderung mit doppelter Einkehrmöglichkeit macht.
Als Belohnung wartet anschließend im Langtaufererhof ein Apfelstrudel mit Schlagsahne auf mich sowie ein Whirlpoolbad auf der Sonnenterrasse, ganz oben auf dem Skydeck.
Hier kann man sich wohlfühlen und verwöhnen lassen, was übrigens auch für das 5-Gänge-Menü am Abend gilt. Einem großen Salatbuffet folgen die kalte Vorspeise, die Suppe des Tages und das Hauptgericht wie z. B. Ente, Hirsch, Forelle oder Rind. Danach gibt´s noch was Süßes für die Nacht und dann geht´s ab ins Bett, denn schließlich wartet mit der Tour zur Weißkugelhütte ein absolutes Highlight auf mich.
Vom Langtaufererhof geht es auf dem Wanderweg 1A direkt bergauf und man gewinnt recht schnell an Höhe, die ich durch einen unbedachten Abzweiger fast wieder verspiele.
Aus dem vermeintlichen Wanderweg 1A, wird kurzerhand ein Trampelpfad, der dann im Nichts an einem Bergbach endet. Da es mir widerstrebt, den Fehler einzugestehen und den gleichen Weg zurückzuwandern, geht es fortan querfeldein den Steilhang hoch, bis ich komplett erschöpft vor ein paar Pferden fast schon kollabiere.
„Wo kommt der Kerl bloß her und warum japst der so nach Luft?“, scheinen sich die Paarhufer zu fragen und weichen keinen Millimeter aus dem Weg, sodass ich sie regelrecht am Hang umlaufen muss. Danach bin ich fix und fertig und sehe mich in Gedanken eher im Whirlpool als auf dem Berg. Doch der Ehrgeiz und die einmalige Umgebung treiben mich weiter bis zur Weißkugelhütte auf 2.557 m Höhe.
In die Jahre gekommen ist das alte Berghaus in der Tat, doch der Kaiserschmarrn reiht sich in die Riege der ganz Großen ein und kann landschaftlich kaum schöner konsumiert werden.
Jetzt bin ich wieder fit genug, um noch zum Gletscherfeld zu wandern, wo mich kleine Eis-Hoodoos spontan an die Felsformationen im Grand Staircase Escalante Park in Utah erinnern.
Was für eine Landschaft, voller Urgewalt und Anmut, obwohl nur noch ein Bruchteil der einstigen Gletschergröße zu bewundern ist.
Über den Gletscherlehrpfad steige ich anschließend hinab zur Melager Alm, um nach rund 18 Kilometern, mein heiß geliebtes Bergrefugium wieder zu erreichen.
Mein Fazit: Ich bin restlos begeistert von der Landschaft im Langtauferertal, wo trotz des Feiertags, nur eine Handvoll Menschen unterwegs ist. Hoffentlich bleibt die Region samt dem Langtaufererhof noch lange ein Geheimtipp, damit die Schönheit der Natur, die gänzlich ohne Bergbahnen auskommt, lange noch erhalten bleibt.
Dieser Artikel entstand auf Einladung des Bergrefugiums Langtaufererhof in Graun im Vinschgau.