Der Flieger durchbricht mit einer letzten Rechtskurve die Wolkenschicht und gibt den Anblick einer Insel frei, die mich mit ihren grünbewachsenen Felshängen, sofort an die Inselwelt Hawaiis erinnert. Doch wir sind gar nicht so weit weg von zu Hause und tauchen in eine Region ein, die mit ihrer Blütenpracht, den hochgelegenen Terrassen aus Bananenstauden und den schwarzen Vulkanstränden, so völlig anders ist, als das, was man unweit der Kanaren erwarten würde. Madeira überzeugt bereits beim ersten Anblick und sollte am besten mit dem eigenen Mietwagen erkundet werden.
Der Sicherheits- und Gesundheitscheck am Flughafen läuft, trotz der angespannten Situation, erstaunlich geschmeidig ab und ich bin nach gut 30 Minuten bereits „on the road“ zu meinem Lieblingsplatz mit Namen Estalagem Ponta do Sol.
Dabei ist dieser Ort, mehr als ein Designhotel, schwebt er doch über dem historischen Hafenbecken von Ponta do Sol und serviert spektakuläre Meer- und Talaussichten gleichermaßen. Nachts hört man die Wellen rauschen, tagsüber stößt man an die unsichtbaren Grenzen des Infinty-Pools und am Abend genießt man ein erstklassiges Menü im Restaurant und speist unter Palmen und Bananenbäumen.
Bereits die Anfahrt ist ein kleines Abenteuer, denn in Madeira sind die Straßen schmal und hügelig, so dass die Halbautomatik meines Fiat 500 ordentlich zu kämpfen hat, bevor ich vor dem futuristischen Aufzug stehe, der den Ort mit dem Hotel verbindet.
4 Stockwerke später, befindet man sich in einer Welt aus modernem Design, die sich um das historische Haupthaus gruppiert und immer wieder kunstvolle Akzente in Gestalt von Bildern und Möbeln setzt.
Die Zimmer sind im schlichten Weiß gehalten und bieten, aufgrund der knapp 4 Meter hohen Decken, einen atemberaubenden Blick aufs Meer, der das Aufstehen zu einem echten Vergnügen macht.
Doch natürlich hat die Insel jede Menge landschaftlicher und kultureller Dinge zu bieten, so dass meine erste Station das Museo de Arte Contemporanea de Madeira ist, dass mit seinen kühlen Formen, wie eine Bösewicht-Villa aus einem James-Bond-Film, über dem künstlichen Sandstrand des Städtchens Calheta thront.
Das Gebäude ist eindeutig der Star, auch wenn die kleine Ausstellung durchaus den Besuch wert ist und moderne Exponate von einheimischen Künstlern präsentiert. Weiter geht es durch dichte Wolkenschwaden in die Highlands Madeiras mit Namen Paul da Serra, wo man sich mit wild umherlaufenden Kühen die Straße teilen muss. Dabei lernt man recht schnell die erste Lektion zum Madeira Wetter, die da heißt, dass die Insel ganz unterschiedliche Klimazonen hat und Sonnenschein an der Küste, keinerlei Rückschlüsse auf das Wetter in der Bergwelt zulassen. Sobald man allerdings den Pass überwunden hat, geht es in Serpentinen der Sonne entgegen und man landet vor den natürlichen Swimming-Pools von Porto Moniz, die von den Gezeiten regelmäßig mit frischem Meerwasser gespeist werden.
Dabei gibt es die kostenlose Variante am Restaurante Cachalote oder die 1,50 € teure Deluxe-Version ein paar Hundert Meter nördlich, die wesentlich beliebter zu sein scheint. Bei einsetzender Flut ist der Hot-Spot eindeutig die Außenkante direkt am Ozean, der regelmäßig seine Wellen zum Ganzkörper-Salzbad hinüberschickt und das junge Publikum in Jubelstimmung versetzt.
Nur wenige Kilometer südlich von Porto Moniz befindet sich übrigens noch die spektakuläre Gesteinsformation Ilheus da Janela, die man von einem kleinen Steinstrand aus beobachten und fotografieren kann.
Doch widmen wir uns jetzt dem absoluten Höhepunkt eines Madeira-Besuchs, der es problemlos in jede Best-of-Liste der schönsten Wanderungen Europas schafft. Ich spreche von der berüchtigten Bergtour vom Pico do Arieiro bis zum Gipfel des Pico Ruivo, dem mit 1.862 Metern, höchsten Berg der Insel.
Was habe ich nicht alles im Internet über diese Wanderung gelesen. Extrem anstrengend soll sie sein, 7-8 Stunden andauern und von stürmischen Winden bis hin zu Regenwolken, dem Wanderer alles entgegenstellen, was ihn vom Gipfelspaß abbringen kann. Dass es am Ende eine Hitzeschlacht werden würde, davon hatte keiner geschrieben, doch der Himmel präsentiert sich an diesem wunderschönen Herbsttag ohne eine einzige Wolke und nur wenige Wanderer haben sich am Parkplatz des Pico do Arieiro eingefunden.
Schon von der Gipfelplattform bekommt man einen ersten Eindruck von der zerklüfteten Gipfelwelt, die einmal mehr an den Waimea Canyon von Kauai erinnert. Knapp unterhalb des Gipfelplateaus beginnt dann der Startschuss jenes 13 Kilometer langen Wanderspektakels, das über zahlreiche Treppen, Leitern und Tunnel insgesamt 1.200 Höhenmeter überwindet.
Dabei ist der Anfang ein Einstieg, der schnell süchtig macht, denn es geht stetig bergab und die Felsformationen sind wirklich atemberaubend. Der Pfad ist teilweise super schmal und erinnert an die Besteigung des Angels Landing in Utah, mit dem Unterschied, dass hier beide steil abfallenden Seiten, gut mit Seilen gesichert sind. Überhaupt ist der Trail wunderbar angelegt und problemlos zu begehen, wenn man über eine ausreichende Kondition verfügt. Hin und wieder läuft man mit Hilfe eines Tunnels mitten durch den Berg, um am anderen Ende auf neue Gesteinsformationen zu treffen.
Kurz vor dem Gipfel des Pico Ruivo versorgt ein Berggasthaus die fleißigen Wanderer nochmals mit Getränken und Snacks, bevor man dann das Gipfelplateau erreicht und einen 360-Grad-Panoramablick genießt. Angeblich kann man eine alternative Route absteigen, um sich dann mit dem Taxi zurück an den Ausgangspunkt bringen zu lassen, doch in Anbetracht des Wetters und einzigartigen Trails, kommt das für mich heute nicht in Frage, zumal ich für den Hinweg gerade mal 1 Stunde und 50 Minuten mit Fotostopps gebraucht habe.
Doch der Rückweg sollte mich dann an die Grenzen meiner Physis bringen, denn es geht nach etwa 1/3 der Wegstrecke primär in eine Richtung, bergauf. Stufe um Stufe kämpfe ich mich zurück zum Pico do Arieiro, wo ein eiskaltes Bier auf mich wartet und ich nach 4,5 Stunden, diese einzigartige Wanderung, für beendet erkläre. Auch wenn ich mich kaum von der Naturkulisse trennen mag, ist die Aussicht auf den erfrischenden Hotelpool allemal die Rückfahrt wert.
Madeira im September ist ein absoluter Traum für Naturliebhaber und das Estalagem Ponta do Sol der perfekte Ort, um die Insel mit all ihren Schönheiten zu erkunden. Zum Abschluss meines Besuchs, sitze ich ein letztes Mal an meinem Lieblingsplatz auf dem Balkon des Hotelrestaurants und genieße bei einem guten Glas Rotwein, ein hervorragendes Drei-Gänge-Menü.
Ich proste der untergehenden Sonne zu und denke mir: Was für ein Tag, was für eine Wanderung, was für ein toller Platz für die Nacht. Auf ein Wiedersehen!
Dieser Artikel entstand auf Einladung des Hotels Estalagem Ponta do Sol auf Madeira.
[…] mehr Insel-Feeling könnt ihr in meinem Bericht über Wandern auf Madeira […]