Du bist in Schweden, wenn dich bereits am Flughafen das singende Nationaldenkmal ABBA standesgemäß mit der Originalaufnahme von Fernando begrüßt. Gottseidank bringt mich dann nicht der Fernando, sondern der Arlanda Express in properen 20 Minuten in die Innenstadt, ganz sowie es sich einst Landesfürst Edmund Stoiber für den Freistaat Bayern gewünscht hat. Doch der ist ja bekanntlich ohne Zwischenstopp in 10 Minuten zwischen Marienplatz, Hauptbahnhof und Flughafen steckengeblieben.
Es ist bereits Nacht in Schwedens Hauptstadt und ein klarer Sternenhimmel wacht über den schneebedeckten Gassen der Gamla Stan, jener Altstadt und Keimzelle, die wie eine Mini-Insel zwischen dem nördlich Norrmalm und dem hippen Södermalm liegt.
Mitten im bunten Treiben aus Restaurants, Cafés und Einkaufsläden liegt mein Victory Hotel versteckt, das sich seit über 30 Jahren im Familienbesitz der Bengtssons befindet. Die Gründerin Majlis Bengtsson ist mittlerweile stolze 88 Jahre alt und arbeitet immer noch jeden Tag für ihr Hotel, mit einer Ausnahme: „Mittwochs nimmt sie sich regelmäßig frei. Denn dann geht sie immer zum Friseur“ so die selbstbewusste Antwort meiner sympathischen Hotel-Führerin Lisa.
Alte Schwedin, denke ich mir, also die Majlis nicht die Lisa und stehe Sekunden später, vor den Resten der noch älteren Stadtmauer, die mitten durch das Victory Hotel verläuft und den Bau im Jahr 1985 um ganze 2 Jahre verzögerte. Heute verschönern die freigelegten Mauerreste den unterirdischen Frühstückraum und sind Pilgerstätte für Schulklassen und Historiker, was aber auch an dem herausragenden Rührei mit Speck liegen kann.
Das ganze Hotel gleicht einer perfekt restaurierten Fregatte aus dem 17. Jahrhundert und ist mit Devotionalien und Schiffsmodellen förmlich zugepflastert. Einzig der Sauna-Bereich bringt ein wenig italienisches Feeling in dieses maritime Gesamtkunstwerk. Ein kleiner Pool erregt meine Aufmerksamkeit und meine erfrorenen Knochen zittern vor freudiger Erregung, bevor Lisa auch hier die Luft oder besser das Wasser rauslässt: „Nein, das ist kein blubbernder Jacuzzi, sondern unser Eisbecken. Ist herrlich erfrischend nach der Sauna“. Ja, sicher. Und schon zittern die Knochen wieder vor Kälte und packen sich erst einmal unter die warme Decke in Captain Lundgrens Kabine, so der offizielle Name meines Zimmers.
Tag 2 beginnt mit einem Paukenschlag und der knallt in Form von Morgensonne durch mein Fenster. Es ist 7 Uhr in der Früh und Stockholm zeigt sein schönstes Lächeln. Also raus aus den Federn und rüber zum Königlichen Schloss, wo ich mir mit einer japanischen Reisegruppe die morgendliche Wachablösung teile und anschließend den im Eis festgefrorenen Schiffen vor dem Nationalmuseum beim Nichtstun zuschaue. Im Hintergrund zieht mich die perfekt gebleichte Jugendstil-Häuserkette der Strandvögen Promenade in ihren Bann, jene Prachtstraße der Belle Époque, deren exklusive Wohnungen von Bankiers und Promis bewohnt werden.
Der Blick auf das Hafenbecken des Ladugardslandsviken (ich habe den Namen nicht erfunden) und die Brücke nach Djurgarden, runden die Bilderbuchkulisse ab. Allein hier kann man einen ganzen Tag verbringen, wäre es nur ein paar Grad wärmer. Auf der Suche nach neuen Handschuhen, passiere ich die berühmte Markthalle Saluhall sowie das Wiener Jugendstiljuwel mit Namen Kungliga Dramatiska Teatern, dessen Blattgold-Skulpturen gleißend in der Sonne funkeln.
Nicht minder eindrucksvoll zeigt sich der Wolpertinger aus Hotel-, Bar- und Restaurantkomplex Berns Salonger, welcher eindrucksvoll am edlen Berzelii Park liegt und direkt zum nächsten Höhepunkt, dem Königsgarten (Kungstradgarden), weiterleitet. Während im Frühling Pärchenlauf zur Kirschblüte angesagt ist, kurven heute die Kids auf Schlittschuhen um ein Reiterdenkmal herum.
Geradeaus die Königliche Oper, rechts davon die pittoreske Holzkirche Jakobs Kyrka und im Rücken das NK, Stockholms exklusivstes Modekaufhaus, welches nur noch durch den verschachtelten Einkaufstempel Sturegallerian getoppt wird.
Und hier finde ich dann schließlich auch meine Handschuhe, aus schwedischem Leder, handgefertigt in Vietnam. Der Trip endet, wie er begann und zwar mit ordentlicher Rock Musik. Diesmal sind es nicht ABBA, sondern die Killers, die den weiten Weg aus Las Vegas direkt in den abgesägten Golfball des Ericsson Globe auf sich genommen haben.
Dabei fängt der Konzertabend alles andere als partymäßig an, denn Vorsängerin Juanita Stein gibt sich alle Mühe den Globe, mit ihrem depressiven Mix aus Melancholie und Barmusik, in Windeseile leer zu spielen. Gut, dass der Großteil der Zuschauer erst kurz nach 9 im weiten Rund der Eishockey-Arena ihren Platz einnimmt, denn danach serviert Brandon Flowers, die singende Reinkarnation aus Markus Lanz und Elvis Presley, ein Hitfeuerwerk der Superlative.
Mit den wummernden Bässen von Mr. Brightside wird ein ordentlich durchgerütteltes Publikum glücklich und zufrieden in die klirrend kalte Nacht entlassen. „Stockholm rocks“, im wahrsten Sinne des Wortes.
Hier geht es zur Fortsetzung von Stockholm im Winter.
Dieser Artikel entstand mit freundlicher Unterstützung des Victory Hotels in Stockholm.
[…] Hier geht es zum 1. Teil von Stockholm im Winter. […]
[…] derlei Bedingungen auch gerne mal den Schnee küsse, wie man in meinem Artikel über den Winter in Stockholm nachlesen kann. Heute geht jedoch alles gut aus und ich fahre weiter zum Malerwinkel nach Ramsau, […]