Andermatt war für mich bisher so etwas wie eine vergessene Welt. Unzählige Male bin ich schon die Serpentinen hinauf ins 1.447 Meter hoch gelegene Schweizer Bergdorf gefahren, um mich dann mit dem Autoverlad in Richtung Zermatt zu verabschieden. Viel zu schade, dachte ich mir letzten Sommer als ich die kurvenreiche Furka-Passstraße gefahren bin und schon einen Vorgeschmack auf die Bergwelt im Kanton Uri bekommen konnte.
Überall schoss Wasser aus den Felsen und stürzte in Bächen und Kaskaden bis tief hinab ins Tal. Dazu lockten schneebedeckte Gipfel und Wiesen voller Bergblumen und Kühe. Ein wahres Paradies für Wanderer, dachte ich mir damals, um ein Jahr später wieder hier zu sein und diese Landschaft zu erkunden.
Ich schlage mein Basislager im Radisson Blu Hotel Reussen auf, welches mit seiner außergewöhnlichen Architektur, ein ziemlicher Blickfang dieser urigen Gemeinde ist.
In der Lobby knistert bereits der Kamin als ich meine Key-Card entgegennehme und wenig später durch die zeitlos-modernen Flure Richtung Zimmer spaziere. Das Design ist international ausgerichtet und setzt auf heimische Besonderheiten wie Holzvertäfelungen und Holzböden, die bei mir ein echtes Wohlfühlklima erzeugen. Von daher geht es heute gar nicht mehr ins Dorf, sondern direkt ins Restaurant, wo ich mir das Club-Sandwich im Schweizer-Stil kredenzen lasse.
Es wird mit Putenfleisch und Spiegelei serviert, was ein guter Vorgeschmack aufs traumhaft leckere Frühstück ist, das wirklich keine Wünsche übriglässt. Ob heiße Waffeln mit Ahornsirup oder Marmelade, ob Bircher Müsli mit Granola und frischen Früchten oder Brotspezialitäten mit Käse, Speck und Räucherlachs, hier wird wirklich alles offeriert, um den Energiehaushalt des Bergsportlers voll aufzuladen.
Ich entscheide mich gefühlt für alles und mache mich danach hinauf zum Furkapass, um die Tour hinauf zur Sidelenhütte anzugehen. Leider liegt auf 2.500 Metern nicht nur jede Menge frischer Neuschnee, sondern es ziehen dichte Nebelwolken über eine Landschaft, die kaum mehr auszumachen ist. Ich ziehe bereits meine Wanderschuhe an, doch beim Blick hinauf zum Himmel, kann es eigentlich nur eine richtige Entscheidung geben. Abbruch vor dem Start. Wie zum Hohn herrscht im Tal heute eitel Sonnenschein und so disponiere ich die Touren einfach um und fahre hinab zur Göscheneralp, um die rund vierstündige Wanderung rund um den Göscheneralpsee anzugehen.
Der Trail schafft rund 400 Höhenmeter und ist ein berauschendes Wechselbad aus Blumenwiesen und Gletscherzungen. Das Wasser schießt aus allen Ritzen, so dass man jeden Schritt gut kontrollieren muss, um nicht in den Bächen tiefer einzutauchen als das es die Beschaffenheit der Wanderschuhe zulässt.
Die Tour ist landschaftlich herausragend und verleitet mich zu einem kleinen Abstecher in Richtung Chelenalphütte, von der man immer wieder beste Sicht aufs Sustenhorn und dessen Gletscherspalten hat. Auf einen vernebelten Morgen ohne jede Sicht, folgte ein Nachmittag mit Sonnenschein und feinsten Panoramen. Viel besser kann sich so ein Bergtag kaum entwickeln, so dass ich den frühen Abend im Spa-Bereich des Radisson Blu ausklingen lasse, um noch ein paar entspannte Bahnen im wunderschönen Schwimmbad zu genießen.
Am nächsten Tag versuche ich mein Glück ein zweites Mal, sind es doch die Felsformationen des kleinen und großen Kamels, die mich magisch in den Bann ziehen. Bekannt geworden sind die Kletterfelsen durch ein Werbemotiv der Bergsportmarke Mammut, die einst 26 Kletterer aufs Kleine Kamel bestellte, um ein Foto für die Ewigkeit zu schießen. Heute scheint das Glück mir hold zu sein und der Himmel kommt ganz ohne Wolken aus, so dass ich mich direkt auf den Weg hinauf zur Sidelenhütte mache, der höchstgelegenen Berghütte im Kanton Uri.
Dabei führt der gut markierte Trail immer wieder durch mächtige Schneefelder, in denen man gut und gerne bis zum Oberschenkel versinken kann, falls man auch nur einen Zentimeter von der Spur des Vorgängers abzuweichen vermag.
Dennoch ist die Route jeden noch so eisig-feuchten Fehltritt wert, denn allein der Anblick dieser Kletterfelsen lässt mich atemlos nach oben starren. Irgendwann steht man dann an der Sidelenhütte und hat die beiden Kamele direkt in seinem Sichtfeld, was den meisten Wanderern auch zu genügen scheint.
Doch ich will noch etwas näher ran und nutze die Festigkeit der tief verschneiten Bielenlücke, um auf den Kamm empor zu steigen, von dem man die beiden Höcker wunderbar umrunden kann.
Nur ganz hinauf ist leider nichts für mich, auch wenn ein halbes Dutzend Alpinisten nur wenig später auf dem Gipfel steht und stolz hinab zur Hütte schaut.
Dort sitze ich, zurückgekehrt von meinem kleinen Abstecher und genieße ein Stück Linzer Torte mit viel Rahm und schaue hinauf zu den Kamelen als wären sie Symbol für eine traumhaft schöne Zeit, in der einst für mich vergessenen Welt mit Namen Andermatt.
Dieser Artikel entstand auf Einladung des Radisson Blu Reussen in Andermatt. Mehr Wanderungen vor Traumkulisse gibt es in meinem Artikel über das The Capra in Saas-Fee.