Es ist kurz nach 8 Uhr abends, als ich endlich den Pin Code in die mächtige Eingangspforte der Maison Azul in Merida eintippe. Das schwere Tor gibt widerwillig nach und ich tappe mich durch ein Halbdunkel aus Schatten, religiösen Artefakten und aufgeblähten Engelsfresken. Der Palast wirkt wie die wahrgewordene Fabelwelt eines Carlos Ruiz Zafón. Allmählich finden sich Lichtschalter, lassen sich Ventilatoren in Rotation versetzen und Umrisse des prunkvollen Mobiliars ausmachen.
Die Maison Azul erstrahlt und verzaubert beim ersten Anblick. Genau wie die alte Kolonialstadt Merida, Hauptstadt der Provinz Yucatan mit rund 1 Millionen Einwohnern. Ganz in der Nähe zahlreicher Maya-Stätten ist die lebendige Dorf-Metropole idealer Ausgangspunkt, um die etwas verborgenen Schätze der mexikanischen Halbinsel zu besuchen. Plumpe Touristenmassen, wie an der Riviera Maya, findet man hier gottseidank vergebens und wenn schon koloniales Pflaster, dann bitte auch in einem anständigen Palast wohnen. Meine Gastgeberin Sherry hat dieses Domizil viele Jahre selbst bewohnt und mit viel Liebe eingerichtet. Heute gehören die 4 Doppelzimmer ihren Gästen, die zwischen der Master- und Mural-Suite wählen dürfen oder im großen Guest Room residieren. Wer etwas Zweisamkeit sucht, der findet das in der Casita, einem Anbau, der direkt am venezianischen Pool liegt und über eine offene Innen- und Außendusche verfügt.
Natürlich gehört auch ein kleiner Park samt Springbrunnen zum romantischen Quartier. Doch zurück zum Pool, der das soziale Zentrum des Palastes darstellt und Teil der Patio ist, die mit Sofas, Schaukelstühlen und dem Esstisch das gesellschaftliche Leben abbildet. Hier wird gefrühstückt (der Kühlschrank ist immer gut gefüllt), getrunken, geschrieben, geredet und bis tief in die Nacht zu sanften Beats gefeiert. Einen Restaurant-Tipp hat Sherry dann auch gleich noch für mich. Das Apoala am wunderbar quirligen Parque de Santa Lucia, soll das beste mexikanische Food der Stadt servieren. Eigentlich erwartet man von einem anständigen Mexikaner ja, dass nach einer Stunde alle auf dem Tisch tanzen, Corona stilecht mit Limette serviert wird und als kulinarischer Höhepunkt Takkos mit Guacamole kredenzt werden.
Doch im Apoala ist das anders. Corona gibt es zwar auch, aber ohne das Limettten-Viertele und eingeschenkt im Glas. Als ich meinen Camarero Manuel darauf anspreche, grinst der nur: „Wenn du die Touristen-Nummer willst, kein Problem. Hole ich dir gerne noch eine Limette“. Danach gibt es feinen gegrillten Fisch oder auch Steak, alles wie im Feinschmecker-Lokal arrangiert. Jeden Donnerstag ist hier übrigens Serenada und der Parque de Santa Lucia verwandelt sich in eine Freilichtbühne.
Folklore und Trompeten statt Rock and Roll und Disco-Beats. Doch Merida hat mehr zu bieten, wie beispielsweise den Plaza Grande, der von der Catedral de Merida dominiert wird.
Hier befinden sich die prachtvollsten Bauten, wie der 1892 erbaute Regierungspalast Palacio de Gobierno oder der Palacio Municipal. Danach lasse ich mich etwas durch die bunten Gassen treiben und genieße die Atmosphäre Meridas.
Bei allem Trubel, vermisse ich doch etwas die Authentizität der südamerikanischen Kolonialstädte Quito oder Cusco. Die Märkte wirken zweckmäßiger, die Shops billiger und die Menschen westlicher. Dafür glänzt Merida mit einem herausragenden Architekturzeugnis der Maya. Etwa 14 Kilometer nördlich des Zentrums liegt Dzibilchaltún, ein 20 km2 großes Gebiet mit über 9.000 Steinhaufen, Tempeln und Palästen. Am Eingang werde ich bereits darüber informiert, dass in einer halben Stunde, sprich 16.30, Schicht im Schacht ist. Für mich natürlich kein Grund abzudrehen, sondern stattdessen im Schnelltempo über Stein und Mauer durchs Maya-Truppen-Gelände zu robben. Ein Wärter möchte mich noch kurzerhand um den Tempel der sieben Puppen bringen, doch barsch weise ich ihn auf die verbleibenden 10 Minuten hin. Wären die Mexikaner mal immer so pünktlich, wie mit dem „Feierabend-machen“. Der rechteckige Tempel steht auf einer quadratischen Plattform und steht wie ein Solitär in der Landschaft. Was für ein Ort, um sein Schicksal zu besiegeln.
So dachten sich das jedenfalls die alten Maya, die hier als Opfergabe exakt sieben Statuen vergruben und diesem Platz jede Menge Magie einhauchten. Zeit zu gehen, Zeit für den Pool, denkt sich wohl auch die Echse, die sehnsüchtig auf die seerosengesäumte Cenote Xlacah stiert.
[…] geht es übrigens zu meinem Bericht über das wunderschöne Merida im Norden […]