Es ziehen dunkle Gewitterwolken über den Turm der alten Burgruine. Die Weinberge und Gipfel der Texelgruppe sind längst in dichte Nebelschwaden gehüllt. Meran ist bekannt für seine orchestralen Donnerwetter und auf knallige Sonnentage folgen oft blitzdurchzuckte Nächte. Doch das würde die beiden Jungs nicht weiter stören, sondern in ihrem Vorhaben nur bestätigen.
Zu reizvoll erscheint die Aussicht, ein weiteres Mal in den verlassenen Räumen der Burgruine aus dem 14. Jahrhundert umherzustreifen und so zu tun, als würde das alles ihnen gehören. Etwas müßig ist der Weg hinauf zur Burg, denn Sträucher und Bäume haben sich längst ausgebreitet und geben nur ungern liebgewonnenes Terrain zurück. Eine Lücke in der Mauer schafft schließlich Einlass in diesen vergessenen Palast und so stehen die Beiden plötzlich im Innenhof dieser beeindruckenden Anlage und starren auf die Säulengalerie im ersten Stockwerk, die von einer großen Glasscheibe dominiert wird. Wie verlockend es doch wäre, diesen Schutzschild mit ein paar Steinen zum Bersten zu bringen. Doch einer der Jungen zögert, schaut sich um und lässt den Stein schließlich fallen. Eines Tages denkt er sich, wird diese Burg mir gehören…
…und so geschah es im Januar 2019, dass Alexander Ortner, die historische Fragsburg sein Eigen nennen durfte. Wir stöbern durch die alten Räumlichkeiten, so wie er das vor 55 Jahren als kleiner Bub oft gemacht hat und er erzählt mir von seinem großen Coup aus dem Vorjahr.
„Es war bereits die 3. Versteigerung, die für die alte Burgruine der Fragsburg gestartet wurde. Alle bisherigen Runden waren mir eindeutig zu hoch angesetzt, so dass ich erst im Januar 2019 in den Ring gestiegen bin. Da waren Russen, Chinesen und ein paar wenige Interessenten aus Südtirol im Rennen, doch schließlich habe ich den Zuschlag für einen niedrigen einstelligen Millionenbetrag erhalten“ sagt er sichtlich stolz.
„Damit schließt sich nicht nur der Kreis zu meiner Kindheit, sondern es gibt mir auch die einmalige Gelegenheit, die Burg mit meinem Hotel zusammenführen“.
Dazu muss man wissen, dass Alexander Ortner, mit dem Castel Fragsburg, das kleinste 5-Sterne-Hotel Südtirols führt, welches einst sein Großvater erwarb. Was er genau mit der Burg vorhat, weiß er indes noch nicht.
„Da werden meine Söhne sicherlich eine gehörige Portion mitsprechen wollen. Die beiden Jungs studieren Wirtschaft und Architektur in Österreich und sind bereits jetzt tief in das neue Projekt involviert“ erklärt Alexander Ortner. „Wir haben die Corona-Zeit gut genutzt und vor allem die Außenanlagen und einige Dächer instandgesetzt. Es war alles zugewachsen und überall lag Schutt und Dreck herum. Zudem sind die 70er-Jahre, in denen das Castel als Hotel genutzt wurde, nicht spurlos an diesem Bauwerk vorbeigegangen. Es gab einst 50 kleine Zimmer, die heute einfach nicht mehr zeitgemäß wären. Damals wurden Umbaumaßnahmen eingeleitet, die bleibende Schäden hinterließen, wie zum Beispiel das Verputzen der Wandmalereien oder die Zerstörung der historischen Kapelle“.
Durch den mehrfachen Eigentümerwechsel in den letzten Jahrzehnten, sind zudem viele kostbare Möbel und Einrichtungsstücke abhandengekommen. So gab es einst einen prächtigen Argonautenofen, der in einer Nacht-und-Nebel-Aktion von einem der Vorbesitzer abgebaut und verschleppt wurde. Auf geheimnisvolle Weise gelangte er zunächst nach Trient, um anschließend in einem Museum in Brixen zu landen.
Da steht er jetzt und Alexander Ortner wird alles dafür tun, ihn wieder zurück nach Hause auf die Fragsburg zu holen. Die Rekonstruktion der Geschichte und seines Bauwerks gleicht dabei einer Schnitzeljagd im Stile eines Dan Brown und so sind es alte Fotografien, Zeichnungen sowie Literaturquellen aus Museen und Bibliotheken, die der Familie Ortner das Puzzle um die Fragsburg Stück für Stück ergänzen.
Es wird noch viele Sommer und Winter dauern, bis alles so ist, wie es sein soll, doch Alexander Ortner gibt sich entspannt: „Wir sind unter keinem besonderen Zeitdruck. Mir war es wichtig, dass die Fragsburg in Südtiroler Besitz bleibt und ich ein Stück meiner Kindheit an die beiden Jungs weitergeben kann. Sie werden wissen, was das Beste für dieses historische Anwesen ist. Da bin ich ganz sicher“.
Alexander Ortner ruht in sich selbst und steckt doch voller Visionen. Seine Kunst ist es, Orte entstehen zu lassen, die keiner Zeit und keinen Gesetzmäßigkeiten unterliegen. Orte, die unverwechselbar in ihrer Atmosphäre sind und die menschliche Seele berühren. Einen dieser Orte gibt es bereits. Das Hotel Castel Fragsburg, in den Weinbergen über Meran.