Beim ersten Mal, gab es nur die vage Wegbeschreibung einer hilfsbereiten Mitarbeiterin der Tourist Information in Page. „Du fährst jetzt 5,5 Meilen den Highway 89 nach Süden. Dann lässt du den Wagen einfach am Straßenrand stehen und läufst eine knappe Meile ins Nirgendwo. Da wirst du finden, nachdem du suchst“. Heute ist von dieser Wildwest-Romantik nicht mehr viel übriggeblieben. Das wohlproportionierte Hinweisschild ist kaum zu übersehen und der benachbarte Parkplatz platzt buchstäblich aus allen Nähten. Doch es bringt ja alles nichts. Der View Point am Horseshoe Bend gehört nun mal zu den „Must Sees“ der Region und damit auch auf jede Speicherkarte.
In Anbetracht der kurzen Strecke, wirken die Warnschilder bezüglich Trinkreserven und Todeshitze fast ein wenig albern. Vorbei an unzähligen asiatischen Reisegruppen, erreiche ich nach ca. 15 Minuten den Canyonrand und blicke auf diese schier unglaubliche Schleife, die der Colorado um einen Sandsteinfelsen gefräst hat.
Der Sonnenwinkel ist um 12 Uhr mittags nahezu perfekt, da der gesamte Canyon ausgeleuchtet wird. Ein paar Waghalsige lassen ihre Beine über der brüchigen Kante baumeln. Je näher am Abgrund desto mehr Likes auf Instagram. Da verzichte ich dankend und schlendere im sicheren Abstand am Canyonrand entlang. Unten schweben ein paar Schlauchboote auf dem grünen und unglaublich klaren Wasser des Colorado River dahin.
Fast unwirklich schön, gerade in Anbetracht der schlammig-braunen Färbung, die der Fluss im Grand Canyon annimmt. Auch die reißenden Stromschnellen scheinen in diesem Abschnitt jäh verschwunden. Zeit sich das Ganze mal von unten anzuschauen und so buche ich für den nächsten Morgen eine Rafting-Tour mit Colorado River Discovery. Zum Preis von 99 $ geht es um 8 Uhr morgens mit einem Shuttlebus zur Anlegestelle direkt am Glen Canyon Dam, welche auf dem abgesperrten Gelände des Wasserkraftwerks liegt. Nach Abenteurern der Marke John Wesley Powell sieht meine Reisegruppe irgendwie nicht aus und als wir dann noch alle einen Bauarbeiterhelm zum Schutz vor herabfallenden Münzen erhalten, ist der Touristenspaß perfekt. Gottseidank gilt die Helmpflicht nur für die Unterquerung der imposanten Glen-Canyon-Bridge, was nach etwa 100 Metern vorbei ist.
Danach besteigen wir jeweils zu zwölft 3 motorisierte Rafts, die langsam flussabwärts dahingleiten. Auch wenn die Tage Ende September noch beachtliche 26 Grad erzeugen, sind die Morgenstunden doch bitterkalt. Die Fahrt entlang der mehrere hundert Meter hohen Canyonwände wird somit ein Spiel zwischen erfrieren und genießen.
Unglaublich glatt, fast poliert wirken die orange-braunen Monolithen in der gleißenden Sonne, die uns nun auch unser Guide Rhed mit einer ausgedehnten Schleife um den berühmten Felsen am Horseshoe Bend näher bringt. Ein paar Fliegenfischer stehen im Fluss und lassen sich durch unsere Rafts kaum stören. Die Fische sind aufgrund des klaren Wassers gut zu sehen, allerdings nie an irgendeiner Angel. Wir blicken nach oben und können die herabbaumelnden Beine der Waghalsigen sehen. Natürlich macht unsere Gruppe ein Echo und hofft, dass keiner runterfällt. Likes hin, Likes her. Nach etwa 2 Stunden erreichen wir einen kleinen feinsandigen Beach und besichtigen ein paar Petroglyphen der Anasazi, die diese vor etwa 800 Jahren in den Sandstein gemeißelt haben.
Ganz nett, aber da gibt es ja noch den von mir extra gebuchten Frühstücks-Beutel aus dem River-Discovery-Café. Was da wohl Tolles drin ist? Abgepackter O-Saft, Apfel, Bagel in Plastik, Schmierkäse anbei und ein Jogurt. Okay, doch lieber zurück zu den Petroglyphen. Und nach 30 Minuten ist dann auch schon Schluss mit Picknick am berühmtesten Knick von Arizona.
Es geht zurück, diesmal mit deutlich mehr Motorpower und Spritzeinlagen, was nicht immer erfrischend ist, da der Colorado hier stramme 8 Grad Celsius aufweist. Insgesamt dauert der Spaß knapp 4 Stunden und bietet ein intensives Canyonerlebnis vom Wasser aus.
Etwas weitläufiger ist da schon der gewaltige Stausee Lake Powell, der mit seinen Hausbooten wie ein gefluteter Grand Canyon daherkommt.
Zum Sonnenuntergang gönne ich mir eine 1,5-stündige Fahrt ab Wahweap Marina in den Seitenarm des berühmten Antelope Canyon. Vor 15 Jahren hatte ich mich noch großzügig für die dramatisch gute Tagestour zur Rainbow Bridge entschieden und entsprechend hoch waren Vorfreude und Erwartungshaltung auf das heutige Abenderlebnis. Doch unser Kapitän steuert zunächst schnurstracks auf die gewaltige Staumauer des Glen Canyon Dam zu. Ja, kann man machen, allerdings liegt diese bereits komplett im Schatten. So werden erste Jacken gezückt und sogar Pudelmützen übergezogen. „Well prepared“ diese Amis, was natürlich nicht für mich im tief dekolletierten T-Shirt gilt. Und dann passiert zunächst einmal gar nichts mehr. Wir treiben gefühlte Stunden vor der Staumauer dahin. Über die Außenbordakustik stöhnt der Kapitän ein paar Geschichten und Fakten herunter und ich beginne tatsächlich innerlich zu kochen, was bei der Temperatur fast ein Wunder ist. Irgendwann wird dann auch Kapitän Blaubär bewusst, dass die Sonne nicht mehr lange durchhält und er steuert auf die Canyonwände des Antelope-Seitenarms zu.
Ein ah und oh geht über das tiefgefrorene Oberdeck. Warum nicht gleich so? Der Lake Powell wirkt so kurz vor Sonnenuntergang dabei wie ein Gemälde von Salvador Dali. Wunderschön in den Farben und doch voll unentdeckter Geheimnisse.
Für den Abend gibt es für mich in Page nur eine Location. Im Dam Bar & Grille gibt es die besten Burger der Stadt, dazu ein Bud, dass in diesem Jahr einfach nur America heißt und alleine dafür liebe ich dieses verrückte Land.
Noch mehr Wild-West-Feeling gibt es in meinem Bericht über die Sorrel River Ranch in Moab.
Oh ja, der Horseshoen Bend ist toll – und leider total überlaufen.
Ich war das erste Mal 2010 dort. Es war der Wahnsinn und damals noch „relativ“ einsam… Ich war in den Jahren danach auch immer Mal wieder am Bend, das letzte Mal 2014… Das erkennst du nicht wieder… Heute muss man schon sehr viel weiter in den amerikanischen Südwesten eintauchen, um etwas Wildwest-Romantik zu finden und nicht nur überladene Reisebusse .-)
Viele Grüße
Florian
[…] man hier vergebens. Doch der Rhein gibt landschaftlich alles und windet sich, wie am berühmten Horseshoe Bend, um eine kleine Halbinsel. Ein paar Felssplitter, stumme Zeugen des berühmten Flimser Bergsturzes […]