Ich sitze auf einer Ranch in Utah, im wunderschönen Castle Valley und lasse mich bei Country Music von Scrambled Eggs und Bacon verwöhnen. Der Blick reicht vom Frühstückraum der Red Cliffs Lodge direkt auf den Colorado River, der im Winter viel von seiner reißerischen Kraft verliert. Hin und wieder segelt eine herabfallende Schneeflocke durchs Bild, ansonsten passiert im Januar nicht viel, gemessen an den Touristenströmen, die im Sommer durch den Canyonlands- und Arches Nationalpark treiben.
Mittlerweile gilt in den Parks das „first-out-then-in-Prinzip“, was bei voller Auslastung so viel bedeutet wie, erst wenn jemand den Park verlässt, darf wieder ein anderer hineinfahren. Wer dabei an den berühmten Sonnenuntergang am Delicate Arch denkt, kann sich also eventuell auf eine lange Wartezeit gefasst machen. Doch der Reihe nach, denn ich starte meinen alljährlichen Trip nach Moab etwa 160 Kilometer westlich im Capitol Reef Nationalpark, der so etwas wie ein „Hidden Champion“ unter den Naturwundern ist.
Aufgrund des Government Shutdowns in den USA ist der Scenic Drive immer noch gesperrt, so dass ich nach meiner Wanderung zur Hickman Bridge, den berühmten Cassidy Arch über den Frying Pan Trail vom Highway aus angehen muss. Das bedeutet mal eben eine Retour-Wanderung von knapp 14 Kilometern, die sich über einen beachtlichen Bergrücken vorbei am Cohab Canyon hinaufzieht und auf dem verschneiten Pfad höchste Ansprüche an Kondition und Navigation stellt.
Man sammelt fleißig Steinmännchen und hofft sich dabei nicht allzu sehr zu verbiestern, denn weitere Wanderer gibt es hier und heute in diesem Gebiet nicht. Die Landschaft ist jederzeit großartig und motiviert zur Nicht-Aufgabe, genau wie der Schlusspunkt mit Blick auf einen gewaltigen Bogen, der sich über dem Bear Canyon in die Tiefe stürzt.
In Sachen Felsbögen ist jedoch ein ganz anderer Nationalpark führend und so steuere ich am Nachmittag dem Arches NP entgegen, der wie ein Fels in der Brandung vor einer gewaltigen Wolkenwand in der Wintersonne strahlt. Lange kann das nicht mehr gutgehen, denke ich mir und beginne hektisch Sicherheitsmotive von irgendwelchen Felsen zu schießen.
Erst als ich die Windows-Section erreiche und Roland Emmerichs Wolkenband immer noch an Ort und Stelle verharrt, werde ich ruhiger und genieße die Trails um das North- and South Window sowie den spektakulären Double-O-Arch.
Etwas sorgenvoll schaue ich auf die vorgerückte Stunde, doch ich will diesen Ort nicht verlassen, ohne die Wanderung zum berühmten Delicate Arch anzutreten, der in Utah jedes nennenswerte Nummernschild prägt.
Der Kampf „Sonne gegen Mensch“ beginnt und ich schaffe die 2,5 Kilometer (ca. 200 Höhenmeter) in 25 Minuten, was nicht ganz für einen perfekten Sundowner reicht, aber dennoch ein ordentliches Motiv abgibt. Während im Sommer die Menschen hier aufgereiht wie in einem Amphitheater sitzen, scharen sich heute eine Handvoll Hartgesottener um den vielleicht schönsten Felsbogen der Welt. Am Ende wird sogar das unausgesprochen Tabu gebrochen und wir stellen uns der Reihe nach in den Felsen, um ein Motiv für die Ewigkeit zu schießen.
Ich könnte noch Stunden hier verbringen, doch ich habe noch eine Verabredung mit Judy Bane, die mich auf ihre spektakuläre Red Cliffs Lodge eingeladen hat, welche sich in einem Seitenarm des Colorado etwa 20 Kilometer östlich von Moab befindet.
Allein der kurvenreiche Highway 128 ist die Anreise wert, da man permanent dem Flusslauf folgt und den markanten Felsen beim „rotwerden“ zusehen kann. Es erinnert mich ein wenig an das berühmte Monument Valley, welches durch den Colorado und jede Menge Asphaltpiste ergänzt wurde. Die Lodge selbst scheint einem Westernroman entsprungen, wie die zahlreichen Bilder und Filmplakate dokumentieren.
Ein kleines Museum gibt Einblick in die Hollywood-Geschichte, wobei nicht nur Western wie z. B. Rio Grande hier gedreht wurden, sondern auch Blockbuster wie Indiana Jones, Mission Impossible oder Zurück in die Zukunft. 115 Zimmer sind im Sommer stets belegt, während ich im Winter die freie Auswahl habe und trotzdem den Hot Tub oder das ausgezeichnete Frühstücksbuffet nutzen kann.
Einzig die berühmte Castle Valley Winery, Moabs erstes und größtes Weingut sowie das Dinner-Erlebnis im Restaurant fallen der Saison zum Opfer.
Doch dafür gibt es ja eine Alternative, die über eine enorme Ausstrahlung verfügt. Und das ist wörtlich gemeint, denn der Sunset Grill ist nicht nur Moabs erste Adresse für ausgezeichnetes Essen, sondern auch das ehemalige Wohnhaus des Uran-Millionärs Charles Steen, der in Moab eine gottverdammte Legende ist. 1949 sah er in einer Zeitung eine Anzeige der Regierung, die eine hohe Belohnung für das Auffinden von Uran ausgelobt hatte. Ganze 13 Jahre später war es dann endlich soweit und Charles hatte nach unzähligen gescheiterten Versuchen und abgebrochenen Bohrkernen endlich Glück und der Geigerzähler schlug ins Unermessliche aus. Aus einem armen Teufel wurde ein Multi-Millionär, der eine respektable Villa auf einer Anhöhe in Moab samt Pool, Gewächshaus und Unterkunft für Angestellte baute. Seine Partys waren legendär und stets Treffpunkt für alle Einwohner des damals noch beschaulichen Moabs. Gefeiert wird hier heute noch, doch sind es meist Hochzeiten oder Geburtstage, für die diese Location einfach wie gemacht erscheint. Zudem ist das Essen ausgezeichnet. Probiert unbedingt das Filet Mignon oder den gegrillten Lachs und lasst euch von Wendell, der unser Dinner-Guide für den Abend ist, von der Geschichte dieses einmaligen Ortes inspirieren. Am Ende strahlen nicht nur die zahlreich ausgestellten „Uranium-Stones“, sondern auch die zufriedenen Gäste, wovon einer gerade auf dem Heimweg zu seiner vorgewärmten Red Cliffs Lodge ist. Tja, der Winter strahlt schon eine ungeahnte Magie auf diesen unvergleichlichen Flecken Erde aus.
Epilog: Natürlich ist das Westernstädtchen Moab auch unmittelbar mit dem grandiosen Canyonlands Nationalpark verbunden und nachdem mein erster Versuch im Schneetreiben endete, starte ich ein zweites Mal Richtung „Island in the Sky“ und Mesa Arch, der so ziemlich auf jedem Windows-Rechner als Hintergrund-Bild installiert ist.
Und natürlich wird mich Utah nicht hängen lassen, niemals. Genau im richtigen Augenblick blitzt die Sonne durch ein Gemälde aus Wolken, roten Felswänden und Schneeflecken und verwandelt diese Landschaft in ein gewaltiges Happy End. Wir sehen uns wieder, vielleicht eher als wir beide denken.
Dieser Artikel entstand auf Einladung der Red Cliffs Lodge in Moab. Vielen Dank an Judy Bane für die großartige Organisation.
Noch mehr Canyons und Ranches gibt es in meinem Beitrag über den Grand Staircase Escalante.
Schöne Bilder. Der Arches NP steht auch noch auf unserer To-Do Liste 🙂
Viele Grüße
Michael & Sandra
[…] ist mit seinen berühmten Nationalparks Zion, Bryce Canyon und Arches kein unbekannter Landschaftsflecken auf den klassischen Reiserouten durch den Südwesten der USA. […]