Der Preis für den spektakulärsten Anflug auf einen internationalen Flughafen ist dem kleinen Königreich, am Fuße des Himalayas, wohl kaum zu nehmen. Wer von Delhi oder besser noch von Kathmandu mit dem Flugzeug nach Bhutan reist, bekommt die Achttausender quasi auf dem Silbertablett serviert.
Annapurna, Mount Everest, Lhotse, Makalu, Kangchenjunga. Die Giganten sind zum Greifen nah, bevor es im Sinkflug durch ein enges Tal in Richtung Landepiste geht. Gerade mal zwei Kilometer misst der kurze Streifen Teer und erlaubt kaum Zeit für Fehler, da aufgrund der topografischen Begebenheiten, keine Hilfe aus dem Tower zu erwarten ist. Der Pilot ist rein auf Orientierungspunkte auf dem Boden angewiesen, sodass bei schlechtem Wetter und im Dunkeln nicht geflogen werden darf. Nur insgesamt 50 Piloten haben die Lizenz den Paro Airport anfliegen zu dürfen und wer einmal mit an Bord saß, der weiß, wie tückisch dieser Landeanflug ist.
Das erste Abenteuer ist erfolgreich überstanden und allein der Anblick des malerischen Flughafengebäudes zeigt die architektonische Besonderheit des Landes, das lange Zeit vom Rest der Welt vollkommen isoliert war (TV und Internet waren bis ins Jahr 1999 streng verboten). Die wunderschön bemalten Gebäude verschmelzen förmlich mit den grünen Reisterrassen, die sich wie in einem Coffee-Table-Book von einem Tal zum nächsten schlängeln. Auf den Straßen und am Wegesrand ist es, im Vergleich zu Indien, überall erfreulich sauber, und jeder Mensch, dem wir begegnen, hat stets ein Lächeln auf den Lippen. Kein Wunder, schließlich gilt die Zufriedenheit der Einwohner als absolutes Maß der Dinge und wird im Bruttonationalglück ausgewiesen.
Gerade mal zehn Minuten liegen zwischen Landung und Begrüßung durch unseren Führer Karma, inklusive Aussteigen, Kofferholen, Passkontrolle und Visacheck. Sowas habe ich noch nie erlebt, genauso wenig, wie die Fahrt zu zweit im komfortablen 8-Sitzer, mit dem uns Fahrer Kinga in die Hauptstadt Thimphu fährt. Hier befinden sich Regierungssitz und Parlament sowie das Haus des aktuellen Königs. Jigme Khesar Namgyel Wangchuck ist der fünfte King of Bhutan und samt Ehefrau und Kindern überall im Land auf Bildern, Stickern oder Billboards überlebensgroß verewigt. Die Fahrt auf dem National Highway, der sich in Serpentinen durchs Gebirge windet, gestaltet sich als aussichtsreich und überaus entspannend. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt nie mehr als 60 km/h, der Verkehr hält sich zumeist in Grenzen, wer Ampeln sucht wird keine finden, der vierte Gang gilt als Legende, Anschnallgurte sind vorhanden, doch niemand setzt sie wirklich ein. Alles easy in Bhutan, und so fühle ich mich gut erholt, als wir das Zhiwaling Ascent, unsere erste Unterkunft, erreichen. Auf einer Anhöhe gelegen, ist das 4-Sterne-Haus gleich die nächste positive Überraschung, denn der architektonische Stil-Mix aus Holz, Glas und Stein könnte genauso gut in den Alpen oder Rocky Mountains stehen. Die Zimmer sind großzügig geschnitten und gemütlich warm beheizt, das Bad ist top modern mit einer exzellenten Dusche, das Restaurant ein Eyecatcher, indem man wunderbar dinieren kann. Es gibt frischen Lachs und sogar Burger mit Pommes Frites, dazu einheimischen Cabernet oder Shiraz. Alles organisch, alles superlecker. Genauso wie das Spiegelei mit Bacon und die Banana Pancakes zum morgendlichen Frühstück. Man muss sich immer wieder kneifen, um zu realisieren, dass man sich fernab von daheim, in den Tälern des Himalayas befindet.
Der zweite Tag beginnt mit einem wahren Giganten. Auf 2.297 Metern Höhe steht, etwas außerhalb der Stadt, die vermutlich größte Buddha Statue der Welt. Stattliche 51 Meter misst der goldene Buddha Dordenma, der den 60. Jahrestag des vierten Königs zelebriert. Die Anlage ist schlichtweg gigantisch in seinen Ausmaßen und auch das Innere begeistert mit einer Sammlung von über 100.000 Buddha-Statuen.
Weiter geht es zur 1974 erbauten Memorial Stupa, die mich an die berühmte Boudhanath Stupa in Kathmandu erinnert. Auch hier umkreisen Gläubige die heilige Gedächtnisstätte, stellen Kerzen auf, murmeln ihre Mantras oder nutzen die Gelegenheit für einen kleinen Schwatz. Wir fahren weiter zum National Institute of Zorig Chusum, wo junge Studenten die traditionelle Handwerkskunst im Schnitzen, Zeichnen, Schmieden und Malen erlernen, und besuchen den traditionellen Farmers Market, mit seiner typisch bhutanischen Atmosphäre – unaufgeregt im Treiben, Obst und Gemüse appetitlich arrangiert, und unfassbar sauber. Höhepunkt des Nachmittags ist dann die Wanderung zum 1715 erbauten Druk Wangditse Lhakhang Tempel, einem Wallfahrtsort für die Buddhisten. Die Anlage ist wunderschön gelegen und überblickt das Tal der Hauptstadt Thimphu.
Auf dem Dochula Pass auf 3.100 Metern Höhe, befindet sich eine Gedenkstätte für 108 gefallene Soldaten, die 2003 im Kampf gegen indische Rebellen gefallen sind. Eindrucksvoll in Szene gesetzt von exakt 108 Stupas, die auf einer makellos begrünten Bergkuppe thronen und bei klarem Wetter, Aussichten auf den höchsten Berg Bhutans, den Mt. Gangkar Puensum (7.570 m), offenbaren. Wir entscheiden uns für eine kleine Wanderung durch den wunderschönen Zypressenwald, und merken bald, dass wir längst nicht allein im Dschungel unterwegs sind. Hoch oben in den moosbedeckten Baumkronen hocken nepalesische Hanuman Languren, die uns argwöhnisch beäugen und sich in halsbrecherischen Schwüngen von Ast zu Ast bewegen. Immer wieder pirschen wir uns heran, nur um wieder mal zu spät zu kommen. Die Affen sind längst schon auf dem nächsten Baum und scheinen sich einen Spaß daraus zu machen, uns immer tiefer in den Wald hineinzutreiben. Ein berauschendes Naturspektakel, dass wir heute exklusiv für uns allein haben, im Gegensatz zum Chimi Lhakhang, einem buddhistischen Fertilitätstempel, der Gläubige aus ganz Bhutan anzieht. Wir lauschen einer feierlichen Zeremonie, beobachten die Mönche in ihren roten Kutten, und drehen an den vielen Gebetsmühlen, um selbst ein Stück vom Glück nach Hause mitzunehmen.
Ich komme kaum zum Durchschnaufen, da steht bereits der nächste Höhepunkt auf der Agenda. Der Punakha Dzong ist buddhistische Klosterburg und administratives Zentrum der Region Punakha gleichermaßen, und ganz nebenbei ein überragendes Motiv zum Knipsen. Der Dzong von 1637 ist die zweitälteste Klosterburg Bhutans und mit Abstand die bedeutendste. Idyllisch gelegen zwischen dem Mo und Pho Chhu, dem Vater- und dem Mutterfluss, betritt man die gigantische Tempelanlage über die 55 Meter lange freischwebende Punakha Bridge. Es kostet schon viel Überwindung, sich ans Fotoverbot im Inneren zu halten, denn der Tempel mit den goldenen Buddhastatuen ist mit dem bloßen Auge kaum mehr zu erfassen, geschweige denn mit Worten zu beschreiben.
Den besten Blick auf den Dzong hat man zweifelsohne vom Dhumra Farm Resort aus, welches hoch oben in den grünen Hügeln von Punakha thront. Schon die Anreise ist ein kleines Abenteuer, denn die ungeteerte Buckelpiste fordert unserem Fahrer Kinga all sein Können ab, bevor wir schließlich mit einem Ginger-Lemon-Honey-Tee begrüßt werden. Die Dhumra Farm ist eine Mischung aus Mountain Lodge und Gemüsegarten, was bedeutet, dass alles, was morgens und abends auf den Tisch gelangt, aus dem eigenen Anbau stammt und ergo 100 % organisch ist und entsprechend schmeckt. Ein Konzept so fortschrittlich, wie man es sich bei uns nur wünschen würde. Selten habe ich mich jedenfalls mit solch einer Geschmackslust durch Gemüse, Salat, Reis, Hühnchen und Fisch probiert, der hier in kleinen Schälchen zum Teilen auf den Tisch gelangt. Die beste Aussicht hat man stets vom eigenen Zimmer aus, so der Werbespruch im Internet, und dass dies keine hohle Phrase ist, beweist die Sicht aus dem Farm Special Room, indem wir für 3 Nächte residieren. Es ist wie im Kino, denn das Punakha Valley samt Punakha Dzong flimmert wie auf einer Großbildleinwand durch die dreigeteilte Panoramascheibe. Die Vorhänge bleiben rund um die Uhr geöffnet, denn schließlich ist der Dzong nachts wie ein Bilderbuchpalast beleuchtet, während zum Sonnenaufgang gerne Nebelschwaden an den Klostermauern kleben.
Am nächsten Morgen fahren wir ins 3 Autostunden entfernte Gangtey Valley, wo im Winter die berühmten Schwarzhalskraniche zu sehen sind. Wir lassen die wunderschöne Gebirgslandschaft an uns vorüberziehen, machen immer wieder kurze Stopps, um Tempel zu besichtigen, bevor die ersten schneebedeckten Gipfel vor uns auftauchen. Fünf- und Sechstausender und sogar der 7.326 Meter hohe Jomolhari türmen sich hinter eine Herde Yaks, die müde in der Sonne grast. Wir unternehmen eine Wanderung durch dichte Pinienwälder, besuchen pittoreske Dörfer und entdecken in der Ferne Schwarzhalskraniche, von denen es 400 in der Gegend gibt.
Bhutan präsentiert sich immer wieder als große Bühne mit paradiesischen Ausmaßen. Überall blüht Weihnachtsstern, Farmer arbeiten auf Reisterrassen, hin und wieder kreuzen Pferde oder Kühe unseren Weg. Die Sonne strahlt mit unserer Laune um die Wette und treibt die Temperaturen auf angenehme 20 Grad. Wir besuchen den buddhischen Khamsum Yulley Namgyel Choeten und haben Glück, dass gerade eine Zeremonie mit Trommeln, Flöten und Trompeten abgehalten wird. Ein höchst meditativer Augenblick, der entschleunigt, genauso wie der Ausblick auf die wunderschöne Berg- und Tallandschaft. Wir wandern zurück entlang der Reisterrassen, überqueren eine typische Himalaya-Hängebrücke, besuchen ein Nonnenkloster, halten Picknick auf einem Aussichtsplatz, und wandern bis zur Dhumra Farm zurück, die für immer einen Platz in meinem Herzen haben wird.
Am vorletzten Tag unserer Bhutan Reise ist es dann endlich so weit, und das berühmte Tiger Nest soll in aller Herrgottsfrüh erklommen werden. Pünktlich um sieben Uhr morgens fährt uns Kinga mit dem Mini-Van zum Beginn des Wander-Trails, der in unzähligen Kehren und Stufen hinauf auf einen Felsen führt. Am Ende werden es 666 Höhenmeter sein, bevor ich glücklich und ein wenig außer Atem vor dem Tor zum Paro Taksang stehe. Die Kulisse der Tempelanlage, auf einem Felsvorsprung gelegen, übertrifft meine kühnsten Erwartungen. Sogar ein Wasserfall stürzt in die Tiefe und lässt den Ort noch unwirklicher erscheinen als er das aufgrund der Lage ist.
Nach der Anstrengung freue ich mich auf ein wenig Luxus im Le Méridien Paro Riverfront Hotel. Es gibt nicht nur einen echten Swimming Pool samt Blubberbad, sondern auch ein Spa-Programm, das müde Knochen wieder munter macht. Genau das Richtige, und so setze auf eine kombinierte Rücken-, Nacken-, Kopfmassage, in der Erwartung abschalten zu können. Zumindest habe ich mir das so ausgemalt, bis Masseurin Karma aus Ost-Bhutan beginnt, meinen Rücken mit ihren Ellbogen zu bearbeiten. Es knirscht und knackt und ich beiße auf die Zähne, um nicht vor Schmerzen aufzuspringen.
„Are you okay, Sir?“
Nein, ganz und gar nicht, doch ich lasse Karma machen, in der Hoffnung, dass sie ihren Job beherrscht. Nach einer Stunde endet die Massage mit einer leichten Kopfnuss und ich bin komplett erledigt. Angeblich waren die Muskeln und Gelenke überaus verspannt, meint zumindest Karma, als sie mich mit einem Lächeln der Zufriedenheit hinauf in meine Grand Deluxe Suite schickt. Schließlich steht noch ein High-Tea mit leckeren butanesischen Spezialitäten sowie ein Leuchtfeuer-Barbecue-Dinner im Freien auf dem Programm. Ganz privat, vor traumhafter Kulisse, unter einem Sternenhimmel, den man nicht schöner hätte malen können.
Es wird Zeit Abschied zu nehmen, von einem Land, das mich begeistert, emotional berührt und ein Stückweit überwältigt hat. Es gibt landschaftlich und kulturell so vieles zu entdecken, dass man aus dem Staunen kaum herauskommt und immer wieder innehalten muss, um das Erlebte zu verdauen. Vor allem aber sind es die Menschen, wie unser Guide Karma, der mit viel Fingerspitzengefühl und herausragenden Ideen, den perfekten Mix aus Wandern, Landschaft und Kultur zusammenstellte und niemals müde wurde, mir die Figuren des Buddhismus zu erklären. Unser Fahrer Kinga, den keine noch so enge Kurve aus der Ruhe brachte, oder die schüchterne Bedienung Dechen, die mit ihrem Lächeln kurzerhand die Welt verzaubern konnte. Last but not least Benita Kathi und das Team vom Le Méridien in Paro, dass stets ihr Bestes gab, um Momente für die Ewigkeit zu schaffen. Ihr alle habt aus einem Urlaub eine Reise werden lassen, die in meinem Kopf nicht anhält, sondern weitergeht. Und so frage ich Karma zum Abschluss, ob wir noch einmal zu den Siebentausendern fahren können, hinauf zum Chele La Pass, um den schneebedeckten Gipfel des Mount Jhomolari (7.326 Meter) ins Visier zu nehmen. Doch damit gibt sich unser Führer nicht zufrieden. Wir lassen das Fahrzeug auf der Passstraße zurück und schlagen uns auf einen schmalen Pfad, der sich entlang der unzähligen Gebetsfahnen, auf eine Bergkuppe hinaufschlängelt. Ein gewaltiger Brocken aus Eis und Schnee schiebt sich zunehmend über den kargen Gebirgskamm und lässt mich schier nach Atem ringen. Die Nummer Drei der Welt, der 8.586 Meter hohe Kanchenjunga, rückt in unser Blickfeld und zieht mich magisch an. Eine Fata Morgana, die man in der Ferne sehen, die man tief im Inneren des Herzens spüren und doch nicht mit nach Hause nehmen kann. Ich bin angekommen, mehr geht nicht. Unsere Guides schlagen das Lager für ein Picknick auf, reichen Kekse, dazu heißen Tee. Ich nicke Karma wortlos zu und bedanke mich für diesen Augenblick mit einem Wimpernschlag. Was bleibt sind die Erinnerungen, die vielen schönen Fotos, ein paar Zeilen, die dem Erlebten nicht annähernd gerecht werden, und eine Sehnsucht nach dem Wiedersehen.
Dieser Artikel entstand mit Unterstützung von Berghorizonte aus Füssen. Mein Dank gilt den drei Hotelpartnern, dem Zhiwaling Ascent, der einzigartigen Dhumra Farm und dem Le Méridien in Paro. Danke an Patricia und Christian von Berghorizonte für die Überzeugungsarbeit und den gemeinsamen Abend in Thimbu.
Lieber Autor !
Es ist Dir eine anmutige Schilderung ,einer aussergewöhnlichen Reise, gelungen !
Wie schön wäre es,wenn man beim Betrachten der einzigartigen Fotos schon erleuchtet würde !
Jedoch könnte der Anblick der Hl.Berge,die über irdische Ziele in die Unendlichkeit des Universums hinausweisen,aus dem wir hervorgegangen sind und zu dem wir gehören,etwas in uns Menschen bewegen ?
Wie erklärt man sich das Glück der Menschen in Bhutan ?
Spendet die Erhabenheit dieser Landschaft allein schon eine Art von Glückseligkeit ?
Die Berge sammeln unsichtbare Kräfte aus ihrer Umgebung und geben diese an die Menschen ab:die Kräfte des
Wassers,der Elektrizität und des Magnetismus.So entsteht vielfältiges ,tätiges Leben und in ihrem Schutz gibt es
Nahrung für Geist und Seele.Ist das eine Erklärung ?
Wir sagen Danke und es grüssen Dich herzlich Gigi und Didi.