Es ist der Klang der Wellen, der mich abends in den Schlaf wiegt und frühmorgens zum Sonnenaufgang aus den Federn schnellen lässt. Dieses Rauschen und Brechen, dieses Vor- und Zurückziehen, die Urgewalt und Sanftheit gleichermaßen, die mich nicht mehr schlafen lassen will.
Und so schiebe ich mit den Fingern das Rollo etwas zur Seite und blinzele auf einen orangen gefärbten Himmel, der fast schon unwirklich über dem Atlantik thront.
Das also sind die Outer Banks, jene 280 Kilometer lange Inselkette, die wie eine Mischung aus Florida Keys und Cape Cod, zu den Naturschönheiten North Carolinas zählt.
Was für ein einzigartiger Küstenstreifen, der nur aus Wasser, Dünen, kilometerlangen Stränden und sturmerprobten Häusern besteht, die hier wie kleine Schlösser, auf Stelzen aus dem Sand herausragen.
Ich sitze mit meinem Laptop auf der Terrasse der Lighthouse View Oceanfront Lodge, blicke zwischen den Zeilen immer wieder aufs Meer, und ergötze mich an der Einfachheit der Dinge.
Denn in der Tat, braucht es hier nicht viel, um ganze Romane mit abenteuerlichen, romantischen oder melancholischen Geschichten zu füllen. Und damit ich in die richtige Stimmung verfalle, hat mir meine Gastgeberin Cassady, eine Flasche Pinot Noir aufs Zimmer kommen lassen, welches direkten Meerblick bietet.
Es ist nicht so als gäbe es auf den Outer Banks keine Sehenswürdigkeiten. So kann man zum Beispiel den ersten kontrolliert gesteuerten Motorflug der Brothers Wright aus dem Jahr 1903 in Kill Devil Hills nachempfinden, wo ein eindrucksvolles Monument auf exakt der Düne steht, die Wilbur und Orville unzählige Male mit ihrem selbstgebauten Flieger hochgewandert sind.
Oder man besichtigt einen der malerischen Leuchttürme, die man, im Fall des Bodie Island Lighthouse, sogar mühevoll erklimmen kann.
Natürlich kann man sich auch in den Touristenzentren Nags Head oder Kitty Hawk die Zeit vertreiben, doch warum sollte man das tun, wenn man das Paradies vor der eigenen Haustür hat? Schließlich liegt meine Unterkunft nicht nur in der Nähe des Cape Hatteras Lighthouse, sondern auch an einem endlos langen Strand, der zum Muschelsuchen einlädt.
Und wenn ich endlos schreibe, dann ist es in diesem Fall exakt auch so gemeint. Man muss sich schon selbst zum Umkehren zwingen, ansonsten läuft man in die Unendlichkeit aus Meer und Dünen bis man vor Erschöpfung in den weichen Sand fällt.
Als Orientierung dienen Angler, die hier mit ihren SUVs bis fast ans Meer fahren und ihre Ruten in die sanften Wellen halten. So treffe ich auf Henry und Shelby, die jedes Jahr aus Wisconsin auf die Outer Banks fahren, um ein paar Tage auszubrechen, aus dem Hamsterrad, dass man gewöhnlich Alltag nennt. Während Henry den ganzen Tag über angelt, liest Shelby einen Schmöker nach dem anderen und genießt die unbeschwerte Zeit mit ihrem Henry. Ob er denn heute schon etwas gefangen hat, frage ich ihn, wohlwissend, dass sowohl der Eimer als auch die Kühltruhe vollkommen leer sind. Nicht einen, antwortet er mit einem Lächeln. Aber darum geht es ihm nicht, ergänzt er mit glänzenden Augen. Das Leben ist ein verrückter Trip und es ist wichtig, hin und wieder die Uhren anzuhalten, um den wirklich wichtigen Dingen Aufmerksamkeit zu schenken. Dem wundervollen Blau des Ozeans und dem Lächeln seiner Frau. Da würde ein zappelnder Fisch an der Leine irgendwie nur stören.
Dem ist nichts hinzuzufügen, auch wenn ich auf den frischen Catch of the Day im Pamlico Café nicht verzichten möchte.
Das kleine Boutique-Restaurant unweit der Lighthouse View Lodge, ist ein kulinarischer Geheimtipp, der nicht nur abends meinen Gaumen höherschlagen lässt. Der Southwest Pancake mit Erdbeeren und Schlagsahne ist jedenfalls schon jetzt Legende, genauso wie die einmalige Auszeit am Cape Hatteras.
Eigentlich müsste ich jetzt aufbrechen, um mein heutiges Tagesziel noch vor dem Sturm zu erreichen, den sie im TV vorausgesagt haben. Eigentlich. Oder aber ich gehe noch ein wenig am endlos langen Strand spazieren, bis ich mit dem Horizont verschmelze.
Dieser Artikel entstand auf Einladung des Lighthouse View Oceanfront Lodging. Vielen Dank an Cassady Sorensen für die Organisation und den Pinot.