Ein kleiner Junge steht einsam am Pier von Kalk Bay und trotz dem aufkommenden Sturm. Immer wieder erneuert er den Köder an seiner Rute, holt im hohen Bogen aus und versucht in dieser windigen Nacht noch einen Fisch zu angeln. Die eiserne See brandet unheilvoll gegen die Kaimauer, fast so als wolle sie den kleinen Jungen hinab ins Meer ziehen. Doch sie wird ihn nicht bekommen, so viel ist sicher.
Mein erster Tag im St James Homestead Guesthouse hätte aussichtsreicher kaum starten können, denn noch vor der Ankunft entscheide ich mich für die kurze aber kräftezehrende Wanderung auf den Lion´s Head, der neben dem Tafelbergplateau, die zweite eindrucksvolle Erhebung in Kapstadt ist.
Etwa 45 Minuten braucht man bis nach ganz oben, doch während es am Anfang noch recht beschaulich auf einem breit angelegten Wanderweg vorangeht, wird der eigentliche Löwenkopf über Leitern, Ketten und Klettergriffe erstiegen.
Die Belohnung ist das Gipfelplateau auf 670 Metern, von dem man einen herrlichen Panoramablick auf die Stadt und den Tafelberg hat. Man sollte aufgrund der Hitze und Besuchermengen möglichst früh losgehen und einen windfreien Tag erwischen, um nicht von einer Stufe geweht zu werden. Ansonsten ist die Tour aber gut zu meistern, perfekt ausgeschildert und mit modernen Griffen und Seilen ausgestattet.
Nach so viel Morgensport, gönne ich mir die Panoramafahrt entlang der Küstenstraße und erreiche über den kostenpflichtigen Chapman´s Peak Drive schließlich den beschaulichen Küstenort St James. Wir könnten jetzt genauso gut in Monterey oder Maine sein, denn es reihen sich wunderschöne Häuser an Restaurants, Boutiquen und Maklerbüros.
Ja, hier möchte man tatsächlich seinen Lebensabend verbringen oder zumindest ein paar wunderschöne Urlaubstage. So wie ich im St James Manor, welches nicht nur zufällig an den legendären Nostalgiezug Rovos Rail erinnert, denn das Gästehaus im britischen Stil gehört der gleichen Betreibergesellschaft und versprüht einen ähnlichen Charme. So wundert es mich kaum, dass es bei Ankunft erst einmal einen Sherry am Kaminsims gibt, obwohl es draußen gut und gerne 30 Grad Celsius sind. Untergebracht bin ich im St James Homestead, welches vor über 100 Jahren im kapholländischen Stil errichtet wurde und neben 5 Suiten über eine wunderbare Veranda mit Blick auf den Ozean verfügt.
Die 47 m² große Suite selbst ist ein absoluter Traum aus viktorianischen Möbeln, Persischen Teppichen und allerlei Antiquitäten aus England und Südafrika. Dennoch wirkt das Ganze leicht wie eine Sommerbrise, was sicherlich an der großzügigen Raumaufteilung liegt.
Ein gemütliches Wohnzimmer geht fließend in das Schlafzimmer über, um dann in einem opulenten Bad mit freistehender Badewanne zu enden. Hier könnte man gut und gerne einen ganzen Monat verbringen, denn einen Pool gibt es natürlich auch, dazu noch eine Bibliothek und Küche, die für alle Gäste nutzbar ist.
Ich entscheide mich für den Sprung ins kühle Nass, um mich anschließend in der kultverdächtigen Cape to Cuba Bar in Stimmung zu bringen. Was für ein lässiger Laden, um mit Caipirinhas oder einem Daiquiri den Sonnenuntergang zu zelebrieren und wüsste man sich nicht in Kalk Bay, glaubte man sich mitten in Havanna, denn in Punkto Accessoires ist das Cape to Cuba nicht zu toppen. Schaut unbedingt mal ins Restaurant oder reserviert am besten direkt einen Tisch für den Abend.
Für mich geht es jedoch heute weiter bis nach Noordhoek auf der Westseite der Kaphalbinsel, wo ich in einer umgebauten Scheune zu Abend esse. Das klingt spartanisch, doch The Food Barn ist sicherlich eines der besten Restaurants am Kap und Küchenchef Franck Dangereux begeistert mit perfekt zusammengestellten Menüs samt Weinbegleitung. Ich entscheide mich für das Thunfisch-Tartar samt Beefsteak und der Dessertvariante mit Aprikosen, Mango und dem gegrillten Limonen-Bisset. Einzig die 20-minütige Rückfahrt schmerzt ein wenig.
Ein neuer Tag am Kap und wir widmen uns dem vielleicht besten Omelette in der Region, handgefertigt von den Küchenchefs des St James Manor, die das Frühstück live in der Küche des Gästehauses zubereiten. Dazu gibt es frisch gepressten Orangensaft, Müsli und Toast, was eine ideale Grundlage für meinen Tagesausflug zum Old Biscuit Mill Market nach Kapstadt ist.
Unglaublich was hier im hippen Stadtteil Woodstock in den letzten Jahren passiert ist, denn rund um die Old Biscuit Mill hat sich ein Markt entwickelt, der an unzähligen Ständen, Kunsthandwerk, Klamotten und Köstlichkeiten aus der Region anbietet. Alles perfekt abgestimmt auf Trendsetter und Hipster, was bedeutet, dass es natürlich Rooibos-Ice-Tea in coolen Einmachgläsern gibt, ausschließlich Craft-Beer ausgeschenkt wird und die Wagyu-Burger von den Kitchen Cowboys stilecht auf dem Weber-Grill gedreht werden.
Wer jetzt schon wieder in sein Auto steigt, macht einen großen Fehler, denn entlang der Albert Road laden immer wieder trendige Restaurants wie das Three Feathers Diner, spannende Shopping-Malls wie die Woodstock Exchange, interessante Galerien und Antiquitätengeschäfte sowie spektakuläre Graffitis zum Verweilen ein.
In den letzten Jahren ist mit der Albert Street ein echter Gegenpol zur touristischen Waterfront entstanden, der in den kommenden Jahren den „Klassiker“ wunderbar ergänzen wird und den ehemals verwahrlosten Stadtteil Woodstock stilecht nach vorne bringt.
Für den Abend geht es hinauf in die 15. Etage eines Hotelkomplexes in Downtown, wo die elegante The Vue Sky Bar liegt, von der einem aus Kapstadt zu Füßen liegt. Vom Außenpool blickt man direkt auf die Waterfront und Strände von Sea Point, vom Restaurant auf die hell beleuchteten Wolkenkratzer samt Tafelberg.
Aufgeregt erklärt mir der Manager des Hauses, dass er das Vue zukünftig komplett als Fine-Dining Restaurant umbauen möchte, um das kosmopolitische Publikum um die schnöden Barbesucher zu subtrahieren, die ihm einfach viel zu laut sind. Recht hat er, denn Essen und Aussicht sind wirklich einzigartig.
Der letzte Tag bricht an und ich muss mich langsam vom St James Manor verabschieden. Noch eine letzte Runde im Pool, ein Sherry auf der Veranda, die Klänge von Michael Kiwanukas „Cold little Heart“ im Ohr und das Gefühl im Herzen, dass eine fantastische Reise ans Kap der Guten Hoffnung zu einem anderen Zeitpunkt weitergehen wird. Der Wind frischt langsam auf…
…und ich blicke durch die großen mit Gischt bespritzten Panoramafenster des Harbour House in Kalk Bay. Ich bin kurz abgelenkt, gebe meine Bestellung auf, um mich danach wieder fasziniert den heranrollenden Wellen zu widmen, die mit explosiver Macht gegen die wackelnden Scheiben brechen. Mein Blick wandert über den verlassenen Hafen, wo noch am Tag die Touristen und Fischer ihrem Treiben nachgingen. Nun ist er menschenleer, wobei nicht ganz. Ein kleiner Junge steht einsam am Pier und trotzt dem aufkommenden Sturm.
Dieser Artikel entstand auf Einladung der St James Guesthouses in St James, einem Ort für Träumer und Romantiker.