Im Nachhinein war der dritte Tag für mich der kritischste an dieser Gipfelbesteigung. Erste Anzeichen von Höhenkrankheit, welche sich durch stechende Kopfschmerzen bemerkbar machen, dazu die ewige Suche nach Klamotten und Ausrüstung im Zelt, die fehlende Hygiene sowie der feine Lavastaub, der sich wie eine Schicht über alles und jeden zieht, lassen mich am Vorhaben zweifeln.
Mein Gesicht fühlt sich an, als hätte Apollo Creed eine ganze Nacht drauf eingeprügelt, so dass ich nur mit Mühe und Not meine Kontaktlinsen hineinbekomme. Hinzu kommt, dass die härtesten zwei Tage noch vor mir liegen. Doch alles Gejammer hilft ja nichts, denn es geht rauf, zum Teil auf allen Vieren, über die steile Barranco Wall, deren Kletterpartien allerdings recht gut zu meistern sind, wenn man weiß wo sich die Griffe verbergen.
Schlimmer ist fast der permanente Stau, verursacht durch die armen Porter, die tatsächlich die gesamte Ausrüstung über die steilen Passagen transportieren. Nach knapp einer Stunde stehe ich auf dem Plateau der Wand und blicke auf das Karanga Valley, welches heute durch tiefhängende Wolken verschleiert ist. Die Kopfschmerzen haben sich dank Dolomin gelegt und ich mache mich wieder an den Abstieg, denn Höhenmeter werden heute erst am Nachmittag gemacht.
Zuvor gibt es aber noch einen Lunchstop, bestehend aus heißer Suppe und Sandwiches, die unser Koch Elyawon noch schnell aus dem Nichts herbeizaubert. Erst jetzt merke ich, wie fit unsere Porter eigentlich sind. Gemeinsam gestartet, haben sie doch das Kunststück fertiggebracht, vor uns das Mittags-Camp zu errichten, um noch schnell ein paar Kleinigkeiten auf dem Kocher zu brutzeln.
Eigentlich wäre mir jetzt nach Nickerchen, doch es stehen noch knapp 3 Stunden Aufstieg zum Barafu Camp auf dem Programm. Als kleiner Motivator blitzt die Sonne durch die Nebelbänke und zeigt den Gipfel des Kilimandscharo von seiner schönsten Seite. „Du Sauhund“ rufe ich ihm zu „wir sehen uns morgen früh“. Als Strafe schickt er mir einen letzten Aufstiegshügel, bevor ich erschöpft im 4.670 Meter hohen Barafu Camp, welches auch als Base Camp bezeichnet wird, in einen unruhigen Schlaf falle.
Dabei habe ich nicht mal Lust zum Gesicht-Waschen, Umziehen, Rucksack auspacken. Internet? Braucht doch kein Mensch.
Tag 5 und damit D-Day. Es geht endlich auf den Gipfel und die Nacht, die keine war, wird um 0.30 für beendet erklärt. Jetzt heißt es, alles anziehen, was sich so im Rucksack versteckt hält, denn Guide Paul hat uns auf extreme Kältegrade eingestellt. Mein „Dress of the Day“ besteht aus 2 langen Unterhosen, also eine mehr als Arjen Robben zum Spiel trägt, dazu 2 Windbreaker, 1 Thermo-Shirt, 1 T-Shirt, 2 Hemden, 1 Fleece, 1 Mammut Light Bold, alles eingepackt in eine Regenjacke, denn ausgerechnet heute Nacht schlagen Winde und feuchte Nebelbänke gegen unser Zelt. Es ist tiefschwarze Nacht, doch aus der Ferne sieht man bereits die Lichter der ersten Bergsteiger einen steilen Hang hinaufziehen. Also nichts wie hinterher, denn Wind und Regen haben sich gelegt, was mich verdammt an Krakauers Everest-Besteigung erinnert. Trotz Dunkelheit stapft es sich erstaunlich gut los mit dem künstlichen Licht und so geht es im Zombie-Shuffle Kehre um Kehre gen Gipfel. Bloß nicht nach oben schauen, denn an den Lichterketten bekommt man ein Gefühl für die Endlosigkeit dieser Mission. Am Anfang denke ich mir noch, okay das schaffst du, doch der stetige Aufstieg im 45 Grad Winkel hinterlässt Spuren und kostet Körner. Mir wird schwindlig und ich taumele mehr, als dass ich meine Füße vorwärtsbewege. Dabei ist nicht mal die Hälfte der 1.200 heutigen Höhenmeter geschafft und beim Anblick der ersten Umkehrer, die mir erschöpft entgegenkommen, sausen süße Abbruch-Gedanken durch meinen Kopf. Doch Paul und unser zweiter Guide Amos bleiben hart und suggerieren mir mit einem „almost there“, dass es nicht mehr weit ist bis zum Gipfel. Was natürlich eine Fata Morgana ist, da wir nicht mal die 5.000er Höhenmarke erreicht haben. Doch es motiviert mich Runde um Runde weiterzukämpfen, auch wenn mein Gang immer unsicherer wird und ich plötzlich gar auf allen Vieren lande. Amos entledigt mich des Rucksacks und verschafft mir somit etwas mehr der extrem dünnen Luft, die für Schwindel und Übelkeit verantwortlich ist. Immer wieder schlafe ich für Sekundenbruchteile ein und spüre die eisige Kälte nicht mal mehr.
Am Ende ist es dann der energiespendende Sonnenaufgang und der erste Blick auf den gewaltigen Gletscher des Kilimandscharo, der mich zunächst bis zum Stella Point auf 5.756 Metern puscht. Mit Tränen in den Augen falle ich Paul und Amos in die Arme und bedanke mich bei ihrer Hartnäckigkeit. Ich habe es tatsächlich geschafft und der Anblick des leicht überzuckerten Vulkankraters begeistert mich total.
Zudem sind die Gletscherwände, die hier direkt aus dem Vulkanboden aufragen, so besonders, dass mich Pauls Aussage: „Also der eigentliche Gipfel ist der Uhuru Peak und für den müsstest du nochmals den halben Krater umrunden“ gar nicht mehr stört. Gerade noch tot, jetzt schon wieder die aufgequollene Hand an der Kamera, mache ich mich auf die letzte halbe Stunde, um die höchste Erhebung auf 5.895 Metern zu verewigen.
Nicht das mir einer am Ende noch unterstellt, du warst ja gar nicht ganz oben. Danach geht es aber auch schon wieder an den Abstieg, denn die extreme Höhe macht mir ordentlich zu schaffen. 8,5 Stunden später laufe ich wie ein Feldherr ins Camp ein und kann mich vor Glückwünschen meines Teams nicht retten. Getränke werden gereicht und Paul gönnt mir eine Stunde Extra-Schlaf, bevor wir das Basiscamp verlassen, um noch am gleichen Nachmittag 1.500 weitere Höhenmeter abzubauen.
Ich laufe mittlerweile wie ein aufgezogener Duracell-Hase durch die Gegend, doch es hilft ja nichts, denn Morgen endet unsere 6-tägige Gipfel-Tour im Herzen von Afrika und eine Dusche, ein Hamburger und ein eiskaltes Serengeti Lager warten auf mich.
Lohnt sich der Aufstieg zum Kilimandscharo?
Landschaftlich hat mich die Tour voll von den Socken gehauen, wobei die Machame Route auch als die abwechslungsreichste und reizvollste gilt. Jeden Tag gab es praktisch eine komplett andere Kulisse zu bewundern und selbst die Abstiegsroute wich vom Aufstieg ab und führte durch spektakulären Regenwald. Bei der Organisation kann ich mich nur bei Luka und Samuel von Novi Travel bedanken, die mir ein Super-Team zusammengestellt haben. Nehmt euch auf jeden Fall eine Privat-Tour, da Wandern oder Bergsteigen immer etwas mit Rhythmus und Geschwindigkeit zu tun hat. Und bei großen Gruppen, ist man stets nur so gut unterwegs wie das schwächste Glied. Und ich habe viele schwache Glieder gesehen, die eine Ankunft im Camp gut und gerne um 3 Stunden verlängern können. Insgesamt ist die Tour aber bedingt durch Höhe, Länge und Kälte nicht zu unterschätzen. Und insbesondere der Gipfeltag mit 13 Stunden rauf und wieder runter, ist nichts für schwache Gemüter, was eine gute Crew erfordert. Von daher an dieser Stelle nochmals ein herzliches Dankeschön an Paul, Amos, Elyawon, Gisbert, Peter, Lawrence und den Rest der coolen Truppe. Ohne euch würde ich noch immer am Machame Gate mit meinem Rucksack stehen.
Beim Thema Trinkgelder sollte man übrigens bei einer Privat-Tour für 2 Personen insgesamt um die 700 US $ einplanen und als Reisezeit kann ich euch den September nur ans Herz legen. Also dann mal raus aus eurer Komfortzone, es lohnt sich.
Dieser Artikel wurde unterstützt von Novi Travel und Mammut.
Hier findet ihr den ersten Teil zur Besteigung des Kilimandscharo.
Solltet ihr Hilfe bei der Auswahl afrikanischer Agenturen oder Hotels benötigen, schreibt mir einfach eine Privatnachricht: info(at)turnagain.de
[…] Fortsetzung folgt hier. […]
Mit Spannung habe ich die Berichte über den Anstieg Kilimanscharo gelesen, alle Achtung, ein großes Lob. Spannend beschrieben, es macht Spaß die Reiseberichte zu lesen. Danke
[…] Informationen findemn Sie auch in diesen Reiseblogs: https://www.turnagain.de/2017/09/26/besteigung-des-kilimandscharo-machame-route-teil-2/ http://awesomatik.de/kilimandscharo-besteigung-organisation-kosten-und-vorbereitung/ […]